Mittwoch, 13. September 2017

Alpen-Beast 2017 – der Berg und du

Spartan Races sind wundervolle Gelegenheiten, um sich darüber klar zu werden, wie fit man jetzt sein würde, hatte man bereits nach der Anmeldung mit dem Training für die selbigen begonnen. So geschah es auch dieses Jahr, als eine mental stark angeschlagene Junglehrerin, ca. zwei Monate vor dem Tag aller Tage, mit dem Training begann. Aus diesen Umständen, welche einem katastrophalen Start in das Jahr 2017 geschuldet waren, resultierte folgende, unfreiwillige Forschungsfrage:

Reichen acht Wochen Insanity Max 30, acht Einheiten Kangoo Jumps und ein einzelner 5km-Lauf, um einen Spartan Beast zu überleben?

Guten Morgen!
Weniger vom Forschungswillen als von der Tatsache - bereits knapp 200€ in das Event investiert zu haben - getrieben, machten also meine Teamkollegin und ich uns auf in die wunderschönen Berge nach Oberndorf in Tirol. Es gäbe wohl kaum einen besseren Ort, um ein entspanntes Wochenende zu verbringen, wäre da nicht die Tatsache gewesen, dass bereits am Folgetag um 9:45 Uhr der Startschuss für uns fallen würden. Um sechs Uhr klingelte unser Wecker. Meine Teamkollegin begrüßte mich und den Tag mit einem herzhaften „Fuck!“. Es folgten Versuche unseren Magnesiumspeicher aufzufüllen, etwas Essen herunterzuwürgen und den Koffeinspiegel soweit anzuheben, dass Entzugssymptome aufhören würden. Bald würde auch schon Olli, der Dritte im Bunde hier eintreffen. Zusammen mit Olli und einem sehr unguten Gefühl in der Magengegend, machten wir uns auf den Weg zum Eventgelände.

Ein schlauer Mann meinte einst: es ist nicht dumm Fehler zu begehen, aber es ist durchaus dumm dieselben Fehler wieder und wieder zu begehen und dabei andere Ergebnisse zu erwarten. Das Training war nicht gut gelaufen, aber immerhin hatte ich aus den quasi-traumatischen Erfahrungen aus 2015 gelernt: Zu meinem Equipment gehörten nun ein Trinkrucksack der US-Army, diverse Energy-Gels, vier Tabletten Ibuprofen á 400mg, zwei Stirnlampen und Ersatzbatterien. So gerüstet und mit einer gehörigen Portion Selbstironie fühlte ich mich bereit für den Start!
Das Kamikaze-Team

Es folgte das übliche Prozedere: „wer seid ihr?!“ – „SPARTANER!“ – „wie ist euer Ruf!?“ – „AROO AROO AROO!“ das ganze gefühlte zehn Mal, dazu Aufwärmübungen, die wir nicht mitmachten, vor allem um Kraft zu sparen, denn – so viel war sicher – wir würden jeden Millimeter davon benötigen.
Die Jagd ging los. Entspannt und im vollen Bewusstsein unserer Unsportlichkeit ließen wir uns zurückfallen. Es würde ein schöner Wanderausflug werden. Geraden und bergab würden wir laufen, Bergauf aus Prinzip nur gehen. Ich wusste, dass eine Alm auf uns warten würde, es machte keinen Sinn aus falschem Stolz laufen zu wollen, nur um dann am Berg zusammenzubrechen.

Bester Anheizer aller Zeiten!

Die Strecke verlief ähnlich wie die 2015, mit dem Unterschied, dass sie quasi gespiegelt war. War in 2015 der Steinbruch noch der krönende Abschluss so war dieser in diesem Jahr der anstrengende Start. Der Steinbruch verlangte uns einiges ab. Viele Hindernisse, die relativ dicht gepackt waren. Vermutlich war der Steinbruch ein Großteil der Sprint-Strecke. Ein kleiner Teich musste durchschwommen werden, außerdem wurde ziemlich viel Armkraft abverlangt. Bereits hier gelangte ich kurz an meine Grenzen, als es galt einen mit Kies gefüllten Eimer zu tragen. Gemessen an meinem Körpergewicht und meiner Armlänge war der Eimer zum einen ziemlich schwer, zum anderen auch ziemlich unhandlich. Mehrmals musste ich absetzen, mein unterer Rücken protestierte schmerzhaft. Es dauerte einige Zeit, bis ich mich von den Strapazen erholt hatte. Das Boulder-Hindernis, welches mir normalerweise nie Schwierigkeiten bereitet, konnte ich nicht überwinden, weil die Muskeln in den Händen sich noch nicht erholt hatten.
Grenzen austesten!

Raus aus dem Steinbruch, ab in den Wald. Bis jetzt ging es unserer kleinen Truppe noch erstaunlich gut! Frohen Mutes überwanden wir Kletterhindernisse, trugen Autoreifen und Metallketten und erfreuten uns dabei an der Schönheit der Tiroler Natur. Auch wenn der Alpenbeast den Ruf hat, der härteste seiner Art in Europa zu sein; der Schönste ist er auch!

der schönste Beast in ganz Europa!

Dann war es mit der Schönheit aber auch schlagartig vorbei. Mit dem Kanal begann das mir wohlbekannte und für meine Teamkollegen neue Martyrium. Hoch den Kanal, bis dieser zu einem Bach wurde, auch den nach oben und schließlich das Überwinden eines kleinen Wasserfalls mittels Holzkonstruktion und Netz. Sofern so gut. Durch unser langsames Tempo ging es mir den gesamten Streckenverlauf über hervorragend. Der Aufstieg begann und ich erkannte die Phasen der Trauer im Gesicht meiner Teamkollegin. All jene Phasen, die ich vor zwei Jahren selbst durchmachen musste:
der Kanal

Leugnung: Der Berg kann doch nicht so hoch sein! Er wird schon bald aufhören, die schicken uns bestimmt nicht den ganzen Berg hoch, das würden sie nicht tun, nein! Dann bei der Almhütte das Ausbrechen der Emotionen. Meine Teamkollegin wollten nicht mehr. Geld hin oder her. Unsichtbar war die Schönheit der Berge, alles war grau, das Leben ein Albtraum. Nach behutsamen aber bestimmten Tritten in den Hintern ging es weiter, immer weiter, bergauf. Regression. Mutlos aber tapfer schleppte sie sich weiter den Berg hinauf. Wiederaufkommende Emotionsausbrüche konnte ich durch bestimmtes Einschreiten verhindern. Es war hart, aber Maike biss sich durch, gab nicht auf und schließlich erreichten wir die zweite Basis, welche als krönenden Abschluss Sandsäcke für uns bereithielt.
Vor dem Berg - die Welt war noch in Ordnung!

Ich bin mir relativ sicher, dass meine Mutter etwas anderes meinte, als sie mir „die Zeit arbeitet für dich“ sagte. Aufgrund unserer unglaublich langsamen Geschwindigkeit, blieb uns das Sandsacktragen erspart. Die Bergrettung hatte die Befürchtung dass wir und ein paar andere Spartaner es nicht vor Einbruch der Dunkelheit zurückschaffen würden. Darum sollten wir ohne dieses zweifelhafte Vergnügen zurück auf die Rennstrecke geführt werden. Gegen die Auflage einer kleinen Strafzeit.

Und da passierte es! Es war eine Sekunde der Unachtsamkeit, ein Millimeter zu wenig, eine Baumwurzel zu viel. Maike stürzte frontal und landete unsanft auf ihrer Vorderseite, vornehmlich dem Brustbein und dem Ellebogen. Die Sache war gelaufen. Der herbeigerufene Notarzt ließ sie nicht weiterlaufen. Beim Abhorchen war der eine Lungenflügel stärker als der andere, dazu Schmerzen beim Atmen. Mit Verdacht auf eine Rippenfraktur war der Traum vom Beast ausgeträumt und für meine Teamkollegin ging es mit dem RTW ab Richtung Krankenhaus.

Zurück durch den Kanal
Wir zwei anderen wären ohne zu zögern mit ihr mitgefahren, wären nicht beide RTWs voll mit weiteren Patienten gewesen. Unter anderem ein gebrochener Finger. Da wir also ohnehin wieder zurücklaufen mussten und es nur noch ca. fünf bis acht Kilometer reguläre Strecke waren, konnten wir genauso gut den Beast zu Ende bringen.

Durch unseren unfreiwilligen Stopp war ich komplett ausgekühlt. Die Gelenke schmerzten und dank der Sandsteinchen in der Kiesgrube hatte ich mich zwischen den Beinen wund gelaufen. Es war bereits nach 16 Uhr und so langsam verging auch mir die Lust. Mit einem Affenzahn machten Olli und ich uns an den Abstieg. Insgesamt gab es ab hier kaum noch Hindernisse. Ein Baumstamm musste getragen werden, eine Wand überwunden, das war’s auch schon. Den Rest besorgten natürliche Hindernisse. Erneut durch einen Kanal, unter Brücken hindurch und endlich waren wir unten im Tal. An einem Krafthindernis scheiterten wir beide. Ich nehme mir erneut vor an meinen Pull-up-Künsten zu feilen.

Fast am Ziel!
Schließlich gegen 18 Uhr und nach insgesamt über acht Stunden auf der Strecke erreichten wir die Zielgerade in der Eventarena. Hier ging es noch einmal in die vollen mit all dem, wieso ich Spartan Races so sehr liebe: durch den Schlamm robben, in Schlamm baden und klettern! Was für ein Leben! Und schließlich und endlich der Sprung über das „Feuer“ oder besser gesagt dem, was davon übrig war. Gegen 18:30 Uhr, nach circa neun Stunden und 45 Minuten, erreichten Olli und ich erschöpft, aber zufrieden das Ziel. Es war mir ein Fest! Und auch für Maike gab es ein Happy End. Nichts gebrochen, „nur“ geprellt und eine epische Urkunde für Tapferkeit von einem wundervollen Pfleger.

Das Ziel! - Als wir da waren dämmerte es jedoch bereits!
Fazit:
Bezüglich meiner Forschungsfrage lässt sich konstatieren: jein: aufgrund der Zeit durften wir nicht mehr hoch zur Bergspitze. Somit haben wir nicht die komplette Strecke absolviert. Geschätzt mussten wir etwa drei Kilometer weglassen. Allerdings hätte ich den Berg schneller geschafft. Insofern könnte man spekulieren, dass die Absolvierung der gesamten Strecke theoretisch möglich gewesen wäre. Insgesamt waren wir aber natürlich unsagbar langsam und es ist nicht so, als ob ich meinen Teamkollegen die ganze Zeit hätte davonlaufen können. Die Versorgung auf der Strecke war wunderbar. Dennoch würde ich solche Strecken nie wieder ohne Trinkrucksack laufen. Die Schmerztabletten und die Stirnlampe habe ich nicht benötigt. Trotzdem war es ein gutes Gefühl sie dabei zu haben. Man weiß ja nie. Zu meiner Ausrüstung werde ich eine Rettungsdecke hinzufügen, um erneutem Auskühlen vorzubeugen. Während ich diesen Text hier schreibe schniefe ich vor mich hin und klammere mich an meine jämmerliche Existenz. Eine fette Erkältung hat mich im Griff, vielleicht sogar eine Männergrippe!


Ob ich nächstes Jahr wieder dabei bin? Natürlich! Geplant ist eine Zeit unter fünf Stunden. Ich denke das bekommen wir hin!
See you in 2018 AROO!

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