Mittwoch, 30. Dezember 2015

"Weinst du eigentlich oft?"

Diese Frage stellte mir heute ein guter Freund. Jemand mit dem ich vertrauter rede als mit vielen anderen Menschen. Ich habe kurz nachgedacht. Eigentlich weine ich nicht. Nur in Ausnahme-situationen. Ich bin so nicht erzogen worden. Vor anderen weine ich schon mal gar nicht. Schwäche zeigen ist in meiner Familie verpönt. In letzter Zeit weine ich jedoch öfters, denn das Leben ist gerade nicht sehr leicht. Ich denke so geht es jedoch den meisten Referendaren. Wir arbeiten am Limit. Aber meistens weine ich nicht.

"Weinst du eigentlich oft?"
"Nein, ich esse." 

Dies war darum meine ehrliche Antwort.

"Das ist nicht gut."
"Nein, das ist nicht gut, aber ich bin süchtig."
"Geht es dir danach besser?"
"Nein, danach geht es mir schlechter, aber währenddessen geht es mir gut. Danach frage ich mich, wie ein Mensch, der kurz vor der Hochbegabung steht so unglaublich dämlich sein kann."
"Aber wenn du weinst, dann geht es dir danach besser."

Das war ungefähr das Gespräch mit meinem Freund, der wohl einen gesünderen Weg zur Psycho-hygiene gefunden hat als ich. Wenn ich Stress hab, esse ich, wenn es mir schlecht geht, esse ich auch. Oft unbewusst. Und wenn ich es dann tue, rede ich mir die Dinge schön, verkaufe mir den ungesündesten Scheiß als gesund. Oder ich erlaube mir bewusst mich mit Dreck zu füttern, weil meine Lebenssituation es ja erfordert. Da brauche ich ja Nervennahrung! Gönn dir was! Die Schokolade hast du dir verdient!

Das Exzess-Essen findet übrigens immer heimlich statt, so wie das Weinen ja auch. Auch hier will ich keine Schwäche zeigen. Weder vor Freunden noch vor meinem Lebensgefährten würde ich jemals das essen, was ich alleine schon gegessen habe. Im Leben musst du hart sein. Da darf man keine Schwäche nach Außen zeigen. Weder mit Tränen, noch mit 500g Schokolade.

"Akam, du bist immer so stark. Was du schaffst ist der Wahnsinn!"

Ja, aber in mir wütet die Sucht nach Essen, um das zu kompensieren, was weder Körper noch Seele eigentlich aushalten könnten. Die Sucht besteht nicht einmal für das Essen selbst, sondern für das Essen als Tätigkeit. Ich genieße nicht, sondern bin - überspitzt formuliert - wie eine Schlange die ihren Kiefer ausrenkt und dann ein ganzes Rehkitz in einem schluckt. Von dem Geschmack bekomme ich dabei, ähnlich wie die Schlange, wenig mit. Eigentlich müsste es mich erstaunen, dass ich die Verpackung überhaupt entferne! Wahrscheinlich nur, weil Plastik sich so schlecht durchbeißen lässt.

Dabei ist es relativ egal was ich da in mich hineinstopfe, Hauptsache es geht schnell und hat sowohl viel Zucker als auch viel Fett... Berliner zum Beispiel erfüllen beides. Die sind super... Davon dürfen es dann gerne auch sechs Stück sein. Findest du das ekelhaft? Herzlichen Glückwunsch! Dann bist du kein emotionaler Esser... Ich bin einer. 

Auf Englisch klingt das viel schöner "Emotional Eater".  Die Tätigkeit selbst wird als "Binge Eating" "Exzess-Essen" bezeichnet. Und so kann man es ausdrücken. Es sind Ess-Exzesse.... Ohne Maß und vor allem ohne Ziel. Danach ist einem schlecht und man fällt in das allseits gut bekannte Fresskoma. Sprich: obwohl ich eigentlich viel leisten müsste, bin ich danach kaum dazu im Stande noch irgend-etwas zu tun. Verrückt, oder?!

Dabei könnte es so einfach sein! Nervennahrung hat nämlich nichts damit zu tun, möglichst viel industriell vermanschten Dreck in sich hinein zu schaufeln, sondern Nervennahrung ist erstmal alles was Vitamin B und D enthält bzw. zu dessen Bildung beiträgt.
Das wären beispielsweise Quinoa, Nüsse oder Fischöle... In stressigen Zeiten sollten wir unsere Körper eigentlich mindestens dreimal so gut behandeln wie in nicht stressigen Zeiten, denn wir brauchen diesen Extra-Kick, damit wir gesund und leistungsfähig bleiben. Wir sollten unser Immunsystem stärken und beispielsweise frischen Ingwertee trinken. Wir sollten uns wenigstens ein bisschen bewegen. So viel wie es die Situation halt zulässt. Wir sollten weniger oder am besten gar nicht mehr rauchen und Alkohol - ein Depressivum(!!!) - meiden oder wenigstens in Maßen genießen. 

Super einfach zu machen und wirkt Wunder°

Aber was machen wir? Wir nehmen den Stress, der Körper und Seele belastet, als Rechtfertigung dafür unseren Körper mit Dreck oder sogar Giften noch weiter zu belasten. Das ganze ist grotesk oder einfach nur ausgesprochen dämlich!

Ein schlauer Mann sagte Mal: "Wer keine Zeit für seine Gesundheit hat, wird später viel Zeit für seine Krankheiten brauchen." Dieser Mann war Sebastian Kneipp und er hat Recht. Ich habe mich in letzter Zeit oft selbst vergessen und promt die Quittung dafür bekommen. Zwischen Herbst- und Weihnachtsferien, das waren lediglich acht Wochen, habe ich es geschafft insgesamt drei Mal krank zu werden. Ich habe wirklich alles an Keimen mitgenommen, was mir angeboten wurde, als wäre ich in einem Victoria Secret Outlet gelandet, wo auf die reduzierten Preise nochmal 50% Rabatt drauf geschlagen werden!



"Weinst du eigentlich oft?"
"Nein, aber ich sollte wohl öfter weinen. Dann müsste ich meine Seele nicht mit Essen heilen."